Brauchen wir eine Mehrwertsteuerreform?
von Manfred Julius Müller

 

Ist es gerecht, Tiernahrung und Blumen mit nur 7 % Mehrwertsteuer zu belasten, auf Arzneien und Babykleidung jedoch 19 % aufzuschlagen? Macht es Sinn, in der Gastronomie mit unterschiedlichen Steuersätzen zu arbeiten? Beim Verzehr im Lokal fallen für das Essen nämlich 19 % an, beim Außer-Haus-Verkauf für das gleiche Produkt aber lediglich 7 %.

Nein, die Eingruppierung der Waren und Dienstleistungen erscheint in manchen Fällen mehr als unverständlich. Dass Korrekturbedarf besteht, haben inzwischen auch viele Politiker erkannt. Die Populisten unter ihnen fordern derweil forsch eine Ausdehnung der Niedrigsteuerzone, ohne sich um einen Finanzausgleich irgendwelche Gedanken zu machen. Sie wollen mal wieder Geld verteilen, das überhaupt nicht zur Verfügung steht und damit letztlich Sozialabgaben und Staatsverschuldung weiter in die Höhe treiben.

Wenn man eine Mehrwertsteuerreform ernsthaft in Betracht zieht, sollte es jedoch eine generelle Überarbeitung geben, die das Wort Reform auch wirklich verdient. Dazu zählt, dass bei dieser Gelegenheit auch die Umfinanzierung der Sozialversicherungen weiter vorangetrieben wird (um über eine höhere Mehrwertsteuer die Sozialabgaben weiter absenken zu können).

In der heutigen Situation würde ich mir einen folgenden Umbau wünschen:

1. Anhebung der Mehrwertsteuer auf 22 % (ermäßigter Satz einschließlich Handwerk, Gastronomie, Hotelgewerbe und Gesundheitswesen 11 %)

2. Als Ausgleich dafür Finanzierung der Pflegeversicherung voll und ganz über die Mehrwertsteuer

3. Falls das Geld reicht, zusätzlich noch die Rundfunk- und Fernsehgebühren vollkommen abschaffen und ebenfalls über die Mehrwertsteuer finanzieren!

 

Im Zuge dieser Reform könnten dann auch die heute so bemängelten Kuriositäten beseitigt werden. Man könnte die immer wieder angeführte Tiernahrung und die Blumen mit dem vollen Mehrwertsteuersatz belegen, im Gegenzug Baby- und Kinderkleidung mit dem Niedrigsteuersatz begünstigen.

Aber diese Neuordnung wird schwieriger hinzubekommen sein als gedacht, da auch Wählerinteressen und Lobbygruppen eine beachtliche Rolle spielen. Welcher Politiker möchte schon gerne 20 Millionen Tierhalter verprellen, die eine Preiserhöhung des Futters für ihre Lieblinge sicher gar nicht lustig finden.

Die beschworene Notwendigkeit der Mehrwertsteuerreform darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das eigentliche Ziel die Umfinanzierung des Sozialstaates sein muss - die interne Klassifizierung (Einstufung) der Warengruppen und Dienstleistungen aber von geringerer Bedeutung ist.

 

Warum überhaupt einen Niedrigsteuersatz?
Der Niedrigsteuersatz bei der Mehrwertsteuer wurde hauptsächlich wegen der Nahrungsmittel eingeführt - um die Lebenshaltungskosten möglichst niedrig zu halten.

Warum sollten nun aber auch Handwerksleistungen in den Genuss dieses Billigtarifes kommen? Die Antwort findet sich im ungelösten Problem der Schwarzarbeit. Da sich der Sozialstaat auch heute noch hauptsächlich über die Lohnnebenkosten (insbesondere die Sozialversicherungsbeiträge) finanziert, bleibt die Schwarzarbeit unschlagbar günstig und attraktiv.

Der günstige Mehrwertsteuertarif würde die zusätzliche Verteuerung regulärer Handwerksarbeit vermindern - also die Kostenvorteile der Schwarzarbeit verringern. Dies kann bedeuten, dass der Staat durch einen Niedrigsteuertarif im Handwerk kaum Einnahmeausfälle hat - weil eben wieder mehr über die Firmen abgerechnet wird und die Schwarzarbeit abnimmt.

Dass auch im Gesundheitswesen grundsätzlich der Niedrigsteuertarif angewendet werden sollte, hat andere Ursachen.
Erstens ist es völlig unsinnig, die Krankheitskosten künstlich aufzublähen, um ihn dann über hohe arbeitsplatzvernichtende Beiträge auszugleichen.
Zweitens ist es auch moralisch verwerflich, wenn der Staat sich allzusehr über die Abgaben für die Gesundheit finanziert.
Drittens führen die hohen steuerbedingten Kosten im medizinischen Bereich zu einer Schwächung des Wirtschaftsstandortes allgemein und nebenbei auch noch zu einem unerwünschten Behandlungstourismus in die Billiglohnländer.
Und viertens kommt es durch die hohe Mehrwertsteuer bei Arzneien zu einer krassen innereuropäischen Wettbewerbsverzerrung. Viele Internet-Apotheken haben ihren Firmensitz in Ländern mit niedrigen Mehrwertsteuersätzen - wodurch sie den stationären Handel in Deutschland unterbieten können.

 

Die Faustregel: Industriell hergestellte Produkte vertragen eine höhere Mehrwertsteuer!
Grundsätzlich darf man sagen, dass weitgehend industriell hergestellte Produkte eine höhere Mehrwertsteuer vertragen als arbeitsintensive Leistungen. Die Mehrwertsteuer wirkt dann wie eine Art Maschinensteuer, die das herrschende Ungleichgewicht verringern kann (heute ist es ja leider so, dass Arbeit durch hohe Abgaben zusätzlich "bestraft" wird, während Maschinen im Gegenzug subventioniert werden).

Aus dieser Logik rechtfertigt sich auch ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz für das Hotelgewerbe, der gleichzeitig die steuerliche Benachteiligung gegenüber anderen Urlaubsländern aufheben würde und langfristig betrachtet den Staat nicht einmal etwas kosten dürfte (weil Deutschland als Urlaubsland attraktiver würde).

 

Nachtrag Februar 2012:
OECD mahnt Erhöhung der Mehrwertsteuer an!
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) empfiehlt Deutschland dringendst eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer bei gleichzeitiger Senkung der staatlichen Lohnnebenkosten, um für die Zukunft besser gerüstet zu sein.
19 % Mehrwertsteuer seien entschieden zu wenig, vor allem aber müsse der ermäßigte Steuersatz von 7 % endlich angehoben werden. Die Einkommenssteuern und Sozialversicherungsbeiträge müssen bereits 64 % des gesamten deutschen Steueraufkommens abdecken - im OECD-Schnitt liegt dieser Satz bei nur 52 %.

 

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Impressum,
© Dieser Text ist die Zusammenfassung einer Studie des unabhängigen, parteilosen Wirtschaftsanalysten und Publizisten Manfred J. Müller aus Flensburg
. Erstveröffentlichung März 2009

 

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Anmerkung: Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und Grundsatzüberlegungen erneut eingeflochten werden.

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